Aus Wüsten-Sand gebaut

Aus Wüsten-Sand gebaut 698115

Daniel Hautmann in Tages-Anzeiger vom 10. August 2017:

 

Aus (Wüsten-)Sand gebaut


Gerhard Dust und Gunther Plötner erstellen Unterkünfte aus einem Material, das gemeinhin als unbrauchbar gilt: Wüstensand. Draus fertigen sie stapelbare Steine - wie bei Lego.

 

Schwer tropft der Brei aus dem Rohr in die Z-förmige Kiste. Auf dem Rütteltisch nebenan wird er gleichmässig in die Ecken verteilt. Jetzt härtet die Masse aus. Nur 20 Minuten dauert es - dann ist der 15 Kilo schwere Legostein ausgehärtet,

Geht es nach Gerhard Dust, Geschäfts­führer von Polycare Research Techno­logy, im thüringischen Gehlberg, dann verändern diese Steine die Weit: Laien sollen sich daraus eigenhändig Häuser bauen. Hergestellt werden die Kunst­steine aus einem Grundstoff, der gemein­hin als unbrauchbar gilt: Wüstensand. Der ist vom Wind zu rund geschliffen, als dass ihn Zement zusammenhalten könnte. Für Hochhäuser, in Abu Dhabi etwa, wird deshalb Sand aus dem Meer vor Indonesien gebaggert (vgl. dazu „Sand, das neue Kokain“). Der ist schön kantig und die Körner haften gut. Der unterseeische Sandabbau hat drastische Umweltauswirkungen: Strände ver­schwinden, Inseln rutschen ab. Doch das Geschäft lohnt sich: Sand ist inzwischen gut bezahlte Schmugglerware.

Polycare will einen Weg gefunden ha­ben, der diesem Irrsinn ein Ende berei­tet: Statt mit Zement werden die Wüstensandkörnchen mit Polyesterharz gebun­den. So wird der Wüstensand brauchbar. Das Resultat nennt man Polymerbeton.

 

Polymerbeton wird zwar längst ver­baut, etwa in Maschinenfundamenten oder Abwassersystemen. In der Schweiz stellt etwa die Firma Müller-Steinag Ele­ment aus Rickenbach LU Bauteile aus diesem Werkstoff her. Doch bislang kam niemand auf die Idee, Polymerbeton aus Wüstensand zu fertigen, das Zeug in Steinform zu giessen und damit Häuser zubauen. Warum? «Die Bauindustrie ist äusserst konservativ und für neue An­sätze nur schwer zu gewinnen», sagt Dust. Stefan Caba, der an der Techni­schen Universität Ilmenau die Arbeits­gruppe Verbundstrukturen und Leicht­bau leitet, sieht das ähnlich: «Die Ze­mentlobby ist mächtig

 

Bauplan wird mitgeliefert

Dust brachte das nötige Geld mit, der Maschinenbauingenieur Günther Plöt­ner das Know-how. Die Anlage im Inne­ren der Fabrikhalle in Thüringen ist nur etwa so gross wie ein Kleinlaster. Schläu­che saugen Sand und Harz an und vermi­schen beides, bevor die Pampe in die Formen plätschert. Von Hightech ist hier wenig zu sehen - das Geheimnis von Dust und Plötner, ist die Rezeptur.

Um zu begreifen, was den beiden vor­schwebt, muss man ihnen nur ein paar, Meter aus der alten Fabrikhalle folgen. Schon steht man vor zwei «Legohäus­ern». Die sind klein, schmucklos und ha­ben weder Bad noch Küche. Das eine ist ein zweigeschossiger Bau, das andere ein Bungalow von etwa, 40 Quadratmetern. Wer, eintritt, versteht schnell, worum es geht: Menschen, die sonst in Baracken, Zelten oder sonstigen Notunterkünften hausen, bekommen ein stabiles Zuhause.

Gebaut werden die Häuser von ihren Bewohnern. «Wir wollten etwas schaffen, das Leute befähigt, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen», sagt Dust. Was man dafür braucht? Steine und einen simplen Bauplan, den Polycare mitlie­fert. «Es ist wie bei Lego: Die Steine las­sen sich stapeln und sind auf den Plänen farblich markiert», sagt Plötner. Es gibt fünf verschiedene Formen, wobei das Z am meisten verbaut wird. Die Steine wer­den einfach auf Grundleisten gesetzt - dem Pendant zur Lego-Grundplatte. Selbst auf sandigen Böden sollen die Ge­bäude standhaft sein. Dust: «Die Pyrami­den in Ägypten stehen auch auf Sand, da ist kein Betonfundament drunter.»

Polymerbeton besitzt gegenüber ge­wöhnlichem Beton einige Vorteile. Er hat eine höhere Tragkraft und ist zugfes­ter. «Aus einem Kubikmeter lassen sich zwanzig Quadratmeter Wand herstellen. Aus einem Kubikmeter Beton nur vier», sagt Düst. Rechnet man das auf grosse Strukturen wie Hochhäuser oder, Brü­cken hoch, ergeben sich Einsparpoten­ziale und Gestaltungsspielräume. «Polymer-Beton ist ein vielseitiger  Werkstoff mit einem heute noch nicht ausgenutz­ten Potenzial», bestätigt Andrea Osburg von der Bauhaus-Universität Weimar.

Laut Dust sind Häuser aus Polymer-beton umweltfreundlicher als normale. Der Grossteil besteht aus Wüstensand, der in vielen Ländern vor Ort abgebaut wird. Lediglich 13 Prozent sind Polyes­terharz, was Leichtbauexperte Caba als «nicht übermässig gefährlich» bezeich­net. Um die Häuser zu errichten, müs­sen keine grossen Massen bewegt wer­den. Die Steine werden vor Ort fabri­ziert. Das senkt die Transportemissio­nen. Insgesamft kommen die Häuser nach Angaben von Polycare auf nur 15 Prozent der CO2-Last eines normalen Betonhauses. «Kunststoffe haben einen klaren CO2-Vorteil», bestätigt Caba. Zwar sind die Steine aus Polymerbeton relativ teuer, doch laut Dust werden Häuser da­mit trotzdem billiger als gewöhnliche. Seine Begründung: Man brauche dafür weder einen Kran noch Bauprofis und zudem weniger Material. Eine schlüssel­fertige 37-Quadratmeter-Unterkunft kos­tet rund 15000 Euro.

 

Wüstensand als Problem

Doch ausgerechnet im Einsatz von Wüs­tensand sehen manche Forscher Um­weltprobleme «Auch Wüstensand ist eine endliche Ressource. Ich bin daher skeptisch, ob man da ein Problem nur verlagert, anstatt einen Paradigmen­wechsel, etwa durch den Einsatz nach­wachsender Rohstoffe, herbeizufüh­ren», sagt Dirk Hebel, der bis vor kurzem an der ETH Zürich lehrte und inzwi­schen am Karlsruher Institut für Techno­logie forscht.

Dust und Plötner bleiben dennoch bei Wüstensand, obwohl auch sie schon mit Recyclaten wie Schlacke gearbeitet haben. Die beiden wollen auch gar keine Häuser verkaufen und bauen, sondern Fabriken - für die Produktion der Steine. «Sie passt in einen 40-Fuss-Container, und dann braucht man eigentlich nur noch. das Bindemittel», sagt Dust. Als Standorte haben die beiden vor allem Katastrophengebiete, Elendsviertel oder Flüchtlingslager im Blick. Gegen­den, in denen die Infrastruktur schlecht ist und wo es eine Mammutaufgabe ist, Baumaterial heranzuschaffen. Orte, an denen es aber immer eines gibt: Sand: «Allein in Namibia fehlen 300‘000 Woh­nungen. Die wollen sie so 'schnell wie möglich haben», sagt Dust' Deshalb baut Polyare dort gerade eine Testfabrik.

Inzwischen gibt es, sogar Interesse aus einer unerwarteten Gegend. In London denken grosse-Unternehmen darü­ber nach, ihre teuren Arbeitsplätze aus der City in Homeoffices zu verlagern. Das Kalkül: Statt die Häuser umzubauen, könnte man modulare Lego-Büros in die Gärten stellen. Im Juni wurde das erste Garden-Office errichtet, etwas kleiner als die Standardunterkünfte für arme Länder, aber wegen schicker Schiebetü­ren in etwa gleich teuer. Der Prototyp stand in nur vier Tagen.

 

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