Beton aus Holz
Joachim Laukenmann in Tages-Anzeiger vom 10. August 2017:
Beton aus Holz
Forscher der Hochschule Freiburg haben Leichtbeton entwickelt, in dem Sand durch Sägemehl ersetzt ist.
Den Unterschied zwischen normalem Beton und Holzbeton kann man sehen - und fühlen. Daia Zwicky, Leiter des Instituts für Bau- und Umwelttechnologien der Hochschule für Technik und Architektur Freiburg, nimmt einen Betonzylinder von der Grösse einer Getränkedose aus dem Regal. Er besteht aus gewöhnlichem Beton und ist entsprechend schwer. Dann präsentiert er einen gleich grossen Zylinder aus Beton, in dem anstelle von Sand rund 50 Volumenprozent Sägemehl enthalten sind. Im Vergleich mit dem normalen Beton ist er grobporiger, die Oberfläche weniger glatt. Dafür fühlt er sich in der Hand subjektiv wärmer an. Und vor allem: Er wirkt federleicht. «Dieser Holzbeton wiegt rund die Hälfte des normalen Betons», sagt Zwicky. «Der leichteste mit 60 Prozent Sägemehl schwimmt sogar im Wasser.»
Rund ein Dutzend Holzbetonvarianten hat Zwicky im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms «Ressource Holz» (NFP 66) entwickelt. Bisher wurde dieser Baustoff nur für nicht, tragende Zwecke eingesetzt, etwa als schallschluckend und brandhemmende Deckenverkleidung. «Unser Ziel war es einen tragfähigen Beton herzustellen: der zu einem grossen Teil aus Holz besteht.» Zudem sollte er giessfähig und selbstverdichtend sein wie gewöhnlicher Beton. «Das erweitert das Einsatzspektrum enorm», sagt Zwicky. «Gleichzeitig wollten wir die bereits bekannten Vorteile erhalten, also guten Brandschutz, thermische Isolation und guten Lärmschutz.»
Erfolgreiche Belastungstests
Einen Nachteil hat der Holzbeton: An die Stabilität von normalem Beton kommt er nicht heran. «Decken oder Wände müssten daher etwas dicker sein, um die gleiche Stabilität zu erreichen», sagt Zwicky. Erste Belastungstests im Massstab 1:1 zeigten jedoch, dass der Holzbeton durchaus als tragendes Bauteil eingesetzt werden kann.
Es war einiges an Tüftelei nötig, um dem Baustoff die gewünschten Eigenschaften zu verleihen. So enthielten die ersten Mischungen zu viel Zement ‚Das verhagelte die Ökobilanz, da die Herstellung von Zement mit hohen CO2-Emissionen verknüpft ist. «Wir haben festgestellt, dass ein gewisser Teil des Zements im Beton gar nicht reagiert, sondern nur als Füllstoff fungiert», sagt Zwicky. «Daher konnten wir den Zement teils durch Kalkmehl ersetzen, das günstig verfügbar ist. Der Zementgehalt in diesem Holzbeton liegt nun auf dem Niveau von normalem Beton.»
Ein Problem besteht noch darin, dass Holzbeton beim Aushärten stärker schwindet als normaler Beton. Eine offene Frage ist auch die Haltbarkeit. Im kontrollierten Innenraum-Klima sieht Zwicky keine Probleme. Für Aussenanwendungen fehlen schlicht die Daten.
In der Herstellung sieht die Ökobilanz von Holzbeton zunächst schlechter aus als bei gewöhnlichem Beton. Der Grund: Es braucht mehr Holzbeton, um einer Decke oder Wand die gleiche Stabilität zu verleihen. Folglich steckt auch mehr Zement im Bauteil. «Holzbeton kann aber nach dem Abbruch in einer Kehrrichtverbrennungsanlage verbrannt werden», sagt Zwicky. «Der Brennwert ist in etwa ein Drittel so gross wie bei Holzpellets.» Das wiederum poliert die Ökobilanz auf. Die übrig bleibende Asche liesse sich bei noch höheren Temperaturen zu einem Secondhand-Zement brennen. «Wenn man den ganzen Lebenszyklus betrachtet», sagt Zwicky, «ist Holzbeton in etwa 30 Prozent umweltfreundlicher als gewöhnlicher Beton.»