Die Transformationskraft neuer Innovationen im Bauhauptgewerbe

Die Transformationskraft neuer Innovationen im Bauhauptgewerbe 469557

Zafer Bakir in Schweizer Bauwirtschaft, Ausgabe 9/2018:

 

Die Transformationskraft neuer Innovationen im Bauhauptgewerbe

 

Das Thema "Digitales Bauen" bewegt! Das bestätigten die breiten und kontroversen Rückmeldungen des ersten Beitrages in der neuen SBW-Artikelreihe «Chance Digitalisierung». Zum Start der neuen Artikelreihe wurde in der Augustausgabe entlang der Dimensionen Zeit und Megatrends aufgezeigt, welchen digitalen Herausforderungen der Bauunternehmer gegenüber steht. Es hat sich gezeigt, dass insbesondere die potentielle Transformationskraft von digitalen Technologien und Innovationen auf das Bauhauptgewerbe kontrovers diskutiert wurde. Die unterschiedlichen Rückmeldungen gehen dabei weit auseinander. Wir wollen diesen Diskurs entsprechend berücksichtigen und gehen im zweiten Beitrag der Transformationskraft dieser neuen Innovationen auf den Grund.

Starten wollen wir aber mit einer Auslegeordnung zweier Begriffe, der Digitalisierung und der Digitalen Transformation, welche fälschlicherweise oftmals Synonym verwendet werden. Der Begriff Digitalisierung beschreibt im Grundsatz einen technischen Prozess, der die Umwandlung analoger Daten in digitale Formate ermöglicht. Im Kontext von Unternehmen geht es bei der Digitalisierung um die Implementierung von digitalen Technologien in bestehende Support- und Geschäftsprozesse. Ein Beispiel hierfür ist der Übergang der papierbasierten Leistungs-Rapportierung (Tagesrapporte, Stundenkarte, etc.) hin zur digitalen Rapportierung mit Hilfe von mobilen Endgeräten und entsprechenden Bausoftwares. So können Mitarbeiter mit Hilfe von Tablets direkt von der Baustelle und ohne Medienbrüche die Daten im System erfassen und verarbeiten lassen. Heute haben Baumeister mit Hilfe etablierter Bausoftware-Module die Möglichkeit in den unterschiedlichsten Bereichen alle möglichen Arbeitsschritte zu digitalisieren. Im schlechtesten Fall führt dies zu IT-Insellösungen ohne echte Digitalisierungsstrategie. Im besten Fall fusst die Digitalisierung auf einer holistischen Digitalisierungsstrategie, wie sie die Witschi Bau mit der ERP-Software umgesetzt hat (siehe Beitrag auf Seite 18). Im Vergleich zum Begriff Digitalisierung existiert für den Begriff Digitale Transformation heute noch keine allgemeingültige Definition. Ein Liste mit ausgewählten Definitionen findet sich im Buch «Digitale Transformation von Geschäftsmodellen» von Daniel Schallmo et.all. (2017). Allen Definitionen ist jedoch gleich, dass sie die Digitale Transformation als ganzheitlichen und grenzübergreifenden Wandel umschreiben, welcher sowohl die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle ermöglicht aber auch das Potential hat, etablierte Branchenstrukturen und -Prozesse radikal zu verändern. Viele Branchen und Unternehmen haben bereits schmerzhaft die Auswirkungen der Digitalen Transformation zu spüren bekommen. Allerdings sind heute längst noch nicht alle Branchen von neuen Akteuren mit digitalen Geschäftsmodellen wie AirBnB oder Uber betroffen.

 

Wie sieht es mit der digitalen Transformation des Bauhauptgewerbes aus? Haben neue Innovationen das Potential den Bau radikal zu verändern? Nun, Innovationen können in der Auswirkung sehr unterschiedlich ausfallen. Vor diesem Hintergrund hat der SBV die Transformationskraft neuer, baurelevanter Innovationen näher beleuchtet. Die einzelnen Innovationen und Technologien wurden anhand von zwei Dimensionen analysiert und in vier Kategorien eingeteilt: Untersucht wurden die Innovationen & Technologien einerseits auf deren Neuheitsgrad (Y-Achse) und andererseits auf deren Auswirkung (X-Achse) für das Bauhauptgewerbe hin. Bei der Einteilung in die vier Kategorien handelt es sich um eine Momentaufnahme. Die vollumfänglichen Auswirkungen können sich im Zeitverlauf durchaus ändern. Das Ergebnis der Analyse spiegelt sich in der Abbildung 1 wider.

 

(Abb. 1)


Inkrementelle Innovationen

Inkrementelle Innovationen zeichnen sich durch ihren evolutionären Charakter aus, das heisst durch die schrittweise Verbesserung oder Anpassung von bestehenden Prozessen, Produkten oder Dienstleistungen. Die technische Weiterentwicklung von Baumaschinen oder Vermessungstools sind typische inkrementelle Innovationen, welche die Produktivität und Effizienz einzelner Arbeitsschritte steigert. Mit einer radikalen Veränderung von Branchenstrukturen oder der Notwendigkeit der Anpassung von baubezogenen Geschäftsmodellen ist bei Inkrementellen Innovationen jedoch nicht zur rechnen.

 

Durchbruchsinnovationen

Diese Innovationen zeichnen sich durch deren grossen technologischen Fortschritt aus, werden aber vom Markt (noch) nicht als potentielle Alternativen für bestehende Prozesse Produkte oder Dienstleistungen wahrgenommen. Diese Art von Innovationen versprechen oft deutliche Leistungsverbesserungen gegenüber bestehenden Ansätzen. Ein Beispiel hierfür ist die additive Fertigung, umgangssprachlich 3D-Druck genannt, im Umfeld der Baubranche. Durch die konstante Weiterentwicklung der 3D-Drucktechnologie und Baustofftechnologie gewinnt die additive Fertigung zunehmend an Bedeutung. Schalungsfreies bauen mit einem 3D-Drucker gilt heute noch als sehr visionär. Allerdings finden sich bereits heute zahlreiche Umsetzungsversuche ganze Wohnhäuser zu drucken. Da solche Technologien die Art und Weise verändern wie gebaut und Wertschöpfung generiert wird, können diese Technologien bei entsprechender Reife und Marktdurchdringung durchaus transformativen Charakter mit radikalen Folgen aufweisen. Die Realität ist heute allerdings noch eine andere! Heute kommen diese Technologien immer (noch) unter laborähnlichem Umfeld zum Einsatz. Gleichwohl gilt es diese Technologien auf dem Radar zu behalten.

 

Radikale Innovationen

Radikale Innovationen zeichnen sich durch die oftmals sehr tiefgreifenden Auswirkungen auf Unternehmens- und Branchenebene aus, indem sie ganz neue und marktreife Leistungen mit neuem Nutzen für den Kunden schaffen. Kennzeichnend für Radikale Innovationen ist, dass sich branchenfremde Akteure mit innovativen Geschäftsmodellen wesentliche Teile der Wertschöpfungskette aneignen. Hat sich einmal eine Radikale Innovation im Markt durchgesetzt, kann diese Innovation eine erhebliche Gefahr für etablierte Unternehmen und deren Geschäftsmodelle darstellen. Zum heutigen Zeitpunkt finden sich für das Bauhauptgewerbe keine Radikalen Innovationen. Wie aber zuvor erwähnt, haben 3D-Drucker und Bauroboter durchaus das Potential dazu.

 

Disruptive Innovationen

Der Begriff Disruptiv bedeutet störend und ablösend. Sogenannte Disruptive Innovationen werden in der Anfangsphase lediglich von einzelnen Akteuren einer Branche benutzt. Ein Grossteil etablierter Unternehmen lehnen oder ignorieren diese Innovationen in der Anfangsphase häufig ab. Der Grund hierfür findet sich in der tiefen Maturität und den beschränkten Anwendungsmöglichkeit der Innovation. Doch ähnlich wie Radikale Innovationen können Disruptive Innovationen tiefgreifende Konsequenzen für ganze Branchen haben, müssen aber von Radikalen Innovation klar differenziert werden. Nicht jede Disruptive Innovation muss zu radikalen Veränderungen führen. Disruptive Innovationen benötigen im einfachsten Fall eine separate Organisationseinheit, damit die Innovation ihre Wirkung vollumfänglich entfalten kann. Im Kontext der Baubranche kann BIM durchaus als Disruptive Innovation klassifiziert werden. Nutzende Akteure von BIM finden sich heute primär in der Planung. Aufgrund von realistischen Anwendungsfällen entlang der gesamten Wertschöpfungskette Planen-Bauen-Beitreiben hat BIM auch das Potential alte Phasenmodelle der Baubranche durch neue Wertschöpfungsnetzwerke zu ersetzen.

 

Fazit

Um konkurrenzfähig zu bleiben, müssen Bauunternehmer ihre Prozesse mit Hilfe von technischen Möglichkeiten optimieren. Die schrittweise Digitalisierung von Support- und Geschäftsprozessen muss proaktiv vorangetrieben werden. Insbesondere das Optimierungspotential durch Inkrementelle Innovationen muss konstant vorangetrieben werden. Durch die frühzeitige Anwendung von Disruptiven Innovationen können Bauunternehmen nachhaltige Wettbewerbsvorteile gegenüber ihren direkten Konkurrent sicherstellen. Um allfällige Branchenumwälzungen antizipieren und ggf. Geschäftsmodelle frühzeitig anpassen zu können, gilt es die Entwicklung von sogenannten Durchbruchstechnologien proaktiv zu beobachten.

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