Höhere Hürden für die Finanzierung von Renditeliegenschaften

Höhere Hürden für die Finanzierung von Renditeliegenschaften 607981

Thomas Rieder und Fabian Waltert, credit suisse Economics Alert vom 24. Juli 2019:

 

Höhere Hürden für die Finanzierung von Renditeliegenschaften
Um staatlichen Massnahmen zuvorzukommen, hat die Schweizerische Bankiervereinigung Vorschläge zur Selbstregulierung bei Renditeliegenschaften in der Schweiz gemacht.
Wir erwarten keine spürbare Beruhigung im Markt für Renditeliegenschaften. Die Massnahmen dürften weitestgehend durch das weiter anhaltende Negativzinsumfeld kompensiert werden.

 

Die Nachfrage nach Mehrfamilienhäusern als Anlageobjekte ist seit über einem Jahrzehnt ungebrochen hoch. Der Hauptgrund hierfür liegt im starken Zinsrückgang nach Ausbruch der Finanzkrise 2008 und insbesondere im nun schon seit mehreren Jahren vorherrschenden
Negativzinsumfeld. Entsprechend attraktiv sind die Renditen der Mehrfamilienhäuser im Vergleich zu Anlagealternativen wie Schweizer Bundesobligationen (vgl. Abb. 1). Die Folge ist ein Preisanstieg von Mehrfamilienhäusern um mehr als 50% seit Herbst 2008. Trotz steigender Leerstände bei Mietwohnungen und Druck auf die Mieterträge ist hier eine Trendwende ausgeblieben, und die Anfangsrenditen für Top-Objekte befinden sich auf rekordtiefen Niveaus.

 

Selbstregulierung anstatt staatlicher Regulierung
Über diese Entwicklung zeigen sich die Schweizerische Nationalbank (SNB) und die Finanzaufsichtsbehörde (FINMA) zunehmend besorgt. Nachdem mehrere Jahre warnend auf steigende Risiken im Bereich der Wohnrenditeliegenschaften hingewiesen wurde, planen die Bundesbehörden zurzeit im Rahmen einer Revision der Eigenmittelverordnung (ERV) eine Erhöhung der Risikogewichte für hoch belehnte inländische Wohnrenditeliegenschaften. Diese Massnahme soll im Szenario eines Wertzerfalls, ausgelöst etwa durch starke Zinsanstiege, die Stabilität des Bankensystems verbessern. Im Vernehmlassungsentwurf zur Verordnung wird jedoch
explizit darauf hingewiesen, dass auf eine solche Verschärfung verzichtet werden soll, sofern die Schweizer Banken im Rahmen der Selbstregulierung wirksame Massnahmen ergreifen, um die Risiken auf dem Renditeliegenschaftsmarkt zu dämpfen. Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) verstand den Wink mit dem Zaunpfahl und präsentierte Anfang Juli einen Vorschlag, wie die Schweizer Banken einen gezielten und wirksamen Beitrag zu einer Marktberuhigung
bei Schweizer Renditeliegenschaften leisten könnten. Konkret werden folgende Verschärfungen bei der Finanzierung von Renditeliegenschaften vorgeschlagen:

 

1) Der Mindestanteil an Eigenmitteln beträgt neu 25% anstatt wie bisher 10%, und

2) eine Amortisation auf zwei Drittel des Belehnungswerts muss in maximal 10 Jahren
anstatt wie bisher 15 Jahren erfolgen.

 

Auch das bereits bestehende Niederstwertprinzip, nach dem die allfällige Differenz zwischen höherem Kaufpreis und tieferem Verkehrswert vollständig aus Eigenmitteln zu finanzieren ist, wird nochmals explizit erwähnt.


Nicht alle Investoren gleich betroffen
Die vorgeschlagenen Massnahmen haben unterschiedliche Auswirkungen auf die einzelnen Investorentypen. Viele institutionelle Anleger und insbesondere Pensionskassen sind beim Investieren in Renditeliegenschaften nur wenig oder sogar überhaupt nicht fremdfinanziert. Für solche Investoren werden die vorgeschlagenen Massnahmen keine direkten Auswirkungen haben. Im Gegenteil, diese Investoren dürfen wegen der verschärften Regulierung ihrer Wettbewerber
weniger Konkurrenz beim Kauf von Anlageobjekten haben. Anders dagegen sieht die Situation bei vielen privaten Investoren und Firmen aus, die in Renditeliegenschaften investieren. Je nach Fremdfinanzierungsgrad haben die vorgeschlagenen Massnahmen erhebliche Auswirkungen.


Um die Folgen zu illustrieren, betrachten wir einen Investor mit CHF 1’000’000 Eigenmitteln (vgl. Abb. 2). Bei der bisher maximal möglichen Fremdfinanzierungsquote von 90% konnte dieser Investor bis zu CHF 10 Mio. in ein Renditeobjekt investieren. Läge der maximale Fremdfinanzierungsgrad künftig wie von der SBVg vorgeschlagen nur noch bei 75%, wäre mit den gleichen Eigenmitteln nur noch ein Objekt mit einem maximalen Kaufpreis von CHF 4 Mio. erschwinglich. Mit einem Rückgang der maximalen Investmenthöhe um 60% scheint die Massnahme ausserordentlich stark in das heutige Marktumfeld einzugreifen. Es gilt aber zu  erwähnen, dass bereits heute viele Banken die maximale Belehnungshöhe auf 80% limitiert haben. In der Praxis dürfte die maximale Investmenthöhe damit eher um 20% sinken.

 

Die Auswirkungen der von der SBVg als weitere Massnahme vorgesehenen schnelleren Amortisation (10 anstatt 15 Jahre) führen bei gleichbleibender Belehnungshöhe zu 50% höheren jährlichen Amortisationskosten. So steigen die Amortisationskosten bei einem Beispielobjekt mit Anlagekosten von CHF 5 Mio. und einem Fremdfinanzierungsgrad von 75% von jährlich knapp CHF 27’800 auf beinahe CHF 41’700 an (vgl. Abb. 3). Die tiefere maximale Belehnungshöhe führt jedoch dazu, dass der insgesamt zu amortisierende Betrag bei einer maximalen Belehnungshöhe (nur noch 75% anstatt 90%) sogar tiefer ausfällt als bisher. Entsprechend dürften insbesondere die höheren Eigenmittelanforderungen einen dämpfenden Effekt auf die Nachfrage nach Renditeliegenschaften ausüben und weniger die Verkürzung der Amortisationsdauer.

 

Diskussionen um Buy-to-Let-Liegenschaften
Noch nicht einig sind sich Regulierungsbehörden und SBVg in der Frage, für welche Anlageobjekte die (Selbst-)Regulierungsmassnahmen gelten sollen. Während der Regulator bei vermieteten Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern, sogenannten Buy-to-Let-Liegenschaften, die Finanzierungsregeln ebenfalls verschärfen möchte, ist dies in den Vorschlägen der Bankiervereinigung nicht geplant. Dies wird damit begründet, dass Buy-to-Let-Objekte gemäss Basel-III-Standard, aber auch gemäss bisheriger Selbstregulierung nicht als Renditeliegenschaften definiert sind und eine Änderung hier kostspielige Anpassungen bei Kreditrichtlinien, aber auch IT-Systemen auslösen würden. Eine Unterscheidung zwischen
klassischen Renditeliegenschaften und Buy-to-Let-Liegenschaften kann auch ökonomisch begründet werden. So besteht bei letztgenannten Objekten neben einer Vermietung immer auch die Option, die Wohnung selbst zu bewohnen oder als Wohneigentum weiterzuverkaufen.
Da die Bautätigkeit bei Wohneigentum in den letzten Jahren zudem stark rückläufig war und die Leerstände bei Wohneigentum auf einem unproblematischen Niveau sind, dürfte diese
Handlungsoption bei vielen Buy-to-Let-Liegenschaften auch in der Praxis gut umsetzbar sein.


Höherer Eigenkapitaleinsatz für Renditeliegenschaften, …
Die von der SBVg vorgeschlagenen Massnahmen würden die Hürden für fremdkapitalfinanzierte Investitionen in Wohnrenditeliegenschaften spürbar erhöhen. Die Auswirkungen einer Verschärfung der Selbstregulierung auf die Gesamtnachfrage nach diesen Anlageobjekten und auf die weitere Preisentwicklung sind hingegen schwieriger abzuschätzen. Institutionelle Anleger wie Pensionskassen und Versicherungen, die im Markt für Renditeliegenschaften eine wichtige
Rolle spielen, setzen meist überwiegend Eigenkapital für ihre Immobilieninvestitionen ein. Dies führt dazu, dass Fremdkapital in diesem Markt eine kleinere Rolle spielt als etwa im Markt für Wohneigentum. Auch wenn keine verlässlichen Zahlen zum Fremdfinanzierungsgrad
im Gesamtmarkt vorhanden sind, gibt es deutliche Indizien, dass zuletzt viel Eigenkapital in den Immobilienmarkt geflossen ist. Einen diesbezüglichen Hinweis liefern etwa die gemäss Baubewilligungen angefallenen Baukosten. Diese befanden sich in den vergangenen 10 Jahren auf sehr hohem Niveau. Da die Baukosten deutlich weniger stark gestiegen sind als die Bodenpreise, wäre bei Aufrechterhaltung des Fremdkapitalanteils ein deutlicher Anstieg des  Hypothekenvolumens zu erwarten gewesen. Dessen Wachstum hat sich jedoch
von 2012 bis 2016 markant verlangsamt (vgl. Abb. 4).

 

… zuletzt aber wieder stärkerer Anstieg des Hypothekenvolumens
Seit etwas mehr als zwei Jahren wächst das Gesamtvolumen der ausstehenden Hypotheken jedoch wieder stärker. Insbesondere werden wieder mehr Hypothekenkredite an Unternehmen vergeben. Mit 5.6% im Vorjahresvergleich (Stand April 2019) wuchs hier das Kreditvolumen zuletzt gemäss SNB gar doppelt so stark wie bei den Privathaushalten. Somit sind 40% des zusätzlichen Kreditvolumens Unternehmen zuzurechnen (vgl. Abb. 5). Für das Gros der Zuwächse bei den Unternehmenskrediten verantwortlich dürften dabei Immobilienfirmen sein, die in Immobilien zwecks Renditeerzielung investieren. 
Im Wissen darum, dass die Finanzierungsregeln bald verschärft werden, dürften sich viele Unternehmen Kredite zu den bis Ende Jahr noch besseren Konditionen sichern wollen. Mit zuletzt 11% ist der Wachstumsbeitrag der Finanz- und Versicherungsdienstleister deutlich geringer gestiegen. Diese haben in den letzten Jahren zwar stark in den Renditeliegenschaftsmarkt investiert, jedoch mit zumeist eher tiefer Fremdkapitalquote.

 

Selbstregulierung dürfte Nachfrage nur wenig bremsen
Die geplanten Regulierungsmassnahmen für Renditeliegenschaften dürften primär bei privaten Investoren und kleineren Immobilienfirmen zu einem leichten Rückgang der Nachfrage führen. Dagegen dürften institutionelle Anleger mit geringem Fremdkapitaleinsatz in Zukunft insbesondere bei grösseren Objekten noch häufiger zum Zuge kommen. Der Nachfragerückgang bei Investoren mit hohem Fremdfinanzierungseinsatz dürfte jedoch deutlich schwächer ausfallen als der seit der Verschärfung der Selbstregulierung beobachtete Rückgang der Nachfrage nach Wohneigentum. Der Anlagedruck in Immobilien bleibt aufgrund des weiterhin anhaltenden Negativzinsumfelds
einfach zu gross. Investoren mit bestehendem Immobilienportfolio dürften vermehrt
versuchen, die zusätzlich notwendigen Eigenmittel für Neuinvestitionen durch eine, sofern möglich, höhere Belehnung der bestehenden Objekte aufzufangen. Erstinvestoren in Renditeliegenschaften werden dagegen eher auf etwas kleinere und damit günstigere Objekte ausweichen müssen. Es ist aber auch mit räumlichen Verschiebungen zu rechnen. Regionen mit tieferem Preisniveau dürften gerade für Erstinvestoren an Attraktivität gewinnen. Die tieferen Preise in solchen Regionen sind aber häufig auch die Folge einer schlechteren Standortqualität und erhöhten Leerständen. Damit ist nicht auszuschliessen, dass in Zukunft vermehrt Investitionen in Renditeliegenschaften
mit höheren Marktrisiken erfolgen werden. Investoren dürften aber auch vermehrt auf alternative Finanzierungsformen wie Junior- und Mezzanine-Darlehen für das fehlende Eigenkapital zurückgreifen. So haben die verschärften Kreditvergaberegeln in England dazu geführt, dass Junior- und Mezzanine-Darlehen bereits einen Marktanteil von 11% ausmachen.1 Aber auch
Alternativen zu direkten Immobilienanlagen dürften tendenziell an Attraktivität gewinnen. So dürften Hypotheken als Anlageobjekte, indirekte Immobilienanlagen oder auch das Crowd-Investing interessanter werden.


Aufgrund des heutigen Kenntnisstands lässt sich zusammenfassend sagen, dass der Vorschlag der SBVg insgesamt die Finanzstabilität erhöhen dürfte. Zu einer Abkühlung des  Wohnrenditeliegenschaftsmarktes dürfte es nur beschränkt kommen. Es entstehen aber neue Markverzerrungen, da nur Banken reguliert werden. Die zunehmende Anzahl neuer Marktteilnehmer ist jedoch nicht an die Massnahmen gebunden und können im Neugeschäft weiterhin höhere Belehnungen und eine langsamere Amortisation offerieren.
Zudem besteht die Gefahr, dass ein Teil des Kreditgeschäfts in das nichtregulierte Schattenbankengeschäft abwandert. Wie geht es weiter?
Die FINMA wird bis voraussichtlich Ende August entscheiden, ob sie die Vorschläge der SBVg als «geeigneten Vorschlag» anerkennt. In diesem Fall dürften die neuen  Selbstregulierungsmassnahmen ab Anfang 2020 in Kraft treten und die geplante Verschärfung bei
den Risikogewichten für hoch belehnte inländische Wohnrenditeliegenschaften (Revision der Eigenmittelverordnung) wäre zumindest vorläufig vom Tisch. Sollte die FINMA dagegen mit den heutigen Vorschlägen nicht zufrieden sein und fände sich auch kein gemeinsamer
Kompromiss, würde die neue ERV Anfang 2020 in Kraft treten. Damit ist bereits heute klar, dass der Renditeimmobilienmarkt nicht um verschärfte Regulierungsmassnahmen herumkommen wird.
Lediglich bei deren Ausgestaltung ist noch nicht das letzte Wort gesprochen.

 

 

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