Holz, der verlängerte Arm des Architekten?

Holz, der verlängerte Arm des Architekten? 698112

Patrick Imhasly am 10. September in der NZZ am Sonntag:

 

Der verlängerte Arm des Architekten

 

Holz ist der Baustoff der Zukunft: Es wächst ständig nach und speichert das Treibhausgas Kohlendioxyd. Und mit Hilfe von Robotern entstehen ungeahnte Design-Möglichkeiten.

 

Holz ist heimelig: Das denken viele Schweizer. Und doch verbauen sie in ihren Wohnungen und Häusern immer weniger Holz, das aus Schweizer Wäldern stammt. Gemäss den neuesten Zahlen des Bundesamts für Statistik sind in der Schweiz 2016 4,46 Millionen Kubikmeter Holz geerntet worden - so wenig wie seit zehn Jahren nicht mehr. Und das, obwohl sich der Wald zumindest in den Alpen ausdehnt. Die Gründe liegen auf der Hand: Die Konkurrenz im Ausland produziert um einiges günstiger, und die Rohholzpreise sinken.

 

«In der Schweiz ist die Eigentümerschaft des Waldes sehr kleingliedrig», sagt Martin Riediker, Präsident der Leitungsgruppe des Nationalen Forschungsprogramms «Ressource Holz» (NFP 66), das untersucht, wie sich Holz in der Schweiz besser verwerten lässt. «Um Holz effizient nutzen zu können, brauchte es grössere Bewirtschaftungseinheiten, aber über diese verfügt das Land nun einmal nicht.» Riediker setzt deshalb auf eine andere Strategie: «Wir müssen den Sog auf heimisches Holz vergrössern, indem wir in der holzverwertenden Industrie Innovationen fördern.»

 

Viel Schub in diese Richtung kommt von Robotern, die Holz auf neue Art bearbeiten und fügen. Im Robotic Fabrication Laboatoy des Instituts für Technologie in der Architektur (ITA) an der ETH Zürich konstruieren derzeit zwei Roboter Raumzellen aus Holzbalken in Fertigbauweise. Diese dienen als Wohneinheiten und beherbergen später die Zimmer in den oberen Stockwerken im dreigeschossigen DFAB House, dem laut ETH «weltweit ersten Haus, das weitgehend mit digitalen Prozessen entworfen, geplant und gebaut wird».

 

Das DFAB House wird im Frühling 2018 in das Versuchsgebäude «Nest» auf dem Areal der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa)in Dübendorf eingebaut. Dabei handelt es sich um ein fassadenloses Bauwerk mit Plattformen, in dem bautechnologische Innovationen in Form austauschbarer Module unter echten Bedingungen getestet werden können.

 

Für den Bau der 9 Meter langen, 3,5 Meter breiten und ebenso hohen Raumzellen wurden die zwei Industrieroboter mit Greifarmen und weiteren Holzbearbeitungswerkzeugen ausgerüstet. Stehen Roboter üblicherweise auf dem Boden, so hängen sie im Robotic Fabrication Laboratory an einem Portal frei beweglich von der Decke. In perfektem Zusammenspiel errichten die beiden Roboter Wände, Ecken und Dach der Raumzellen für das DFAB House: Der erste platziert einen Balken, der zweite fügt einen stabilisierenden hinzu, so entsteht in einem autonomen Prozess die gesamte Struktur.

 

«Statt wie früher flächig und gegen die Schwerkraft, bauen wir direkt räumlich», erklärt Andreas Thoma, der als Projektleiter für die Konstruktionsarbeiten verantwortlich' ist. Die «roboterassemblierte» Bauweise führe zu einem «neuen architektonischen Ausdruck». Ob ein Bauteil einfach oder kompliziert angelegt ist, spielt für den Roboter - anders als für den Menschen - keine Rolle. «Das erlaubt uns, andere Geometrien zu bauen als lediglich planare Flächen», sagt Thoina. «So entstehen komplexe und zugleich leistungsfähige Strukturen.»

 

Entwickelt haben das Robotic Fabrication Laboratory die beiden Professoren Matthias Kohler und Fabio Gramazio, die seit 2005 die Professur für Architektur und Digitale Fabrikation unter dem Namen Gramazio Kohler Research zu einer weltweit beachteten Forschungsgruppe aufgebaut haben.

 

Vom Entwurf direkt in den Bau

 

«Das Bauen mit Robotern ist integrativ. gedacht und stellt einen Gegenentwurf zu den Prozessen dar, die beim klassischen Bauen zur Anwendung kommen», erklärt. Matthias Kohler. Heute zeichnet ein Architekt seine Pläne mithilfe von computergestützten Konstruktionssystemen und CAD-Programmen, aber sobald der Bau einer die Digitalisierung ein Ende. Dann übernimmt der Bauführer die Umsetzung und die Handwerker die Konstruktion.

Demgegenüber führen die an der ETH Zürich erprobten Bauprozesse von der digitalen Datenbasis des Entwurfs direkt in die Ausführung. Das bedeutet: Bei der Planung wird nicht nur der Bauplan, sondern der ganze Bauprozess digital angelegt und programmiert. Roboter führen ihn dann gemäss den Befehlen präzise, schnell und sicher aus. «Mit diesem Ansatz rückt der Architekt wieder näher an die Konstruktion des von ihm geplanten Bauwerks heran», sagt Matthias Kohler.

 

Bis man am Lehrstuhl für Architektur und Digitale Fabrikation soweit war, brauchte es lange Vorarbeiten. Erste Erfahrungen mit dem Einsatz von Robotern im Holzbau machten die ETH-Forscher 2008 mit dem Projekt «Sequenzielle Wand». Hier baute ein Industrieroboter aus Holzlatten Schritt für Schritt geometrisch vielschichtige Wände. Nach dem gleichen Prinzip entständen später komplexe Holztragwerke. Erste Praxistauglichkeit bewies das roboterassemblierte Bauen beim Planen und Erstellen des Dachs des Neubaus für das Institut für Technologie in der Architektur. Das elegante, mehrfach geschwungene Holzdach wurde nach einem Entwurf von Gramazio Kohler Research komplett von einem Portalroboter n den Produktionshallen der Firma Erne in Laufenburgvorgefertigt. Aus exakt 48‘624 kleinen Kanthölzern baute die Maschine 168 Fachwerkträger von bis zu 15 Metern Länge, die vor Ort an der ETH mithilfe eines Lastenkrans zum 2300 Quadratmeter grossen Dach zusammengesetzt wurden.

 

«Die Entwicklung des Dachs setzt für Architekten und Ingenieure sowie für die Bauwirtschaft neue Impulse», erklärte 2016 der für die Konzeption des ganzen Gebäudes verantwortliche ETH-Professor Sacha Menz. Tatsächlich gilt die Baubranche als nicht besonders risikofreudig, wie der Roboterspezialist Guang-kongYang vom Imperial «Science Robotics» beklagt hat: «Die meisten Konstruktionsverfahren bedienen sich immer noch derselben manuellen Methoden und konventionellen Materialien, die vor hundert Jahren entwickelt worden sind.»

 

Neuer Zugang zum Holz

 

«Architekten haben bisher Berührungsängste gegenüber dem Holz gehabt», sagt Martin Riediker, der Präsident der Leitungsgruppe des NFP 66. Er ist überzeugt, dass das Bauen mit Robotern den Architekten «nie da gewesene Design-Möglichkeiten» eröffnet und einen «neuen Zugang zum Holz als Baustoff» ermöglicht. «Was Matthias Köhler und Fabio Gramazio an der ETH machen, ist der Anfang einer Vision. Ich würde sogar von einer Revolution reden.»

Die Chancenstehen gut, dass Holz als Baustoff eine vielsprechende Zukunft vor sich hat: Weltweit entstehen immer grössere, sicherere und stärkere Gebäude aus Holz, zum Beispiel in Wien ein Holzhochhaus mit 24 Stöcken. Holz hilft auch, die Erde zu kühlen: Wenn mit Holz gebaut wird, entstehen jene Emissionen des Treibhausgases Kohlendioxid nicht, .die bei der Produktion von Beton und Stahl anfallen. Zudem speichert Holz das von den Bäumen aus der Luft aufgenommene CO2.

 

 

Roboter werden an der ETH Zürich nicht nur für Holzkonstruktionen eingesetzt, sondern auch im Betonbau. So kann ein im Rahmen des Nationalen Forschungsschwerpunkts Digitale Fabrikation entwickelter Bauroboter namens «In situ Fabricator» direkt auf der Baustelle ein dreidimensionales Bewehrungsgitter aus Metall herstellen, in das der Beton eingegossen wird. Das Gewebe ist so dicht, dass der Beton nicht herausfliesst. Das Metallgeflecht stellt die Stabilität der Struktur sicher und macht die althergebrachte und wenig effiziente Technik des Verschalens im Betonbau unnötig. Mit diesem Verfahren sind der Formsprach im Umgang mit Beton kaum mehr Grenzen gesetzt.

Mit der «Mesh Mould»-Technologie wird dieses Jahr im DFAB House des «Nest»-Gebäudes eine doppelt gekrümmte, tragende Wand errichtet, welche die Architektur des Arbeits- und Wohnbereichs im Basisgeschoss prägen wird. Auch im Betonbau gilt: Das Schwierige ist, einem Roboter beizubringen, wie er eine Aufgabe zu erledigen hat. Hat man das geschafft, ist, der Bau komplexer Strukturen ein Kinderspiel.

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