Wenn der Roboter die Schalungsteile vorfertigt

Wenn der Roboter die Schalungsteile vorfertigt 698107

Susanna Vanek am 22.08.2018 in Schweizer Bauwirtschaft:
 

Wenn der Roboter die Schalungsteile vorfertigt

"Geht nicht, gibt es nicht", will Markus Hirschi, Inhaber und Geschäftsführer der Filigran Bauelemente AG, sagen. Der Grund: Ein Roboter ermöglicht eine schnelle Fertigung auch von komplexen Betonelementen.

 

Behäbige Bauernhäuser und Landwirtschaftsflächen säumen die Strassen, im Hintergrund sind die Berge zu sehen. Oberdiessbach ist ländlich geprägt - und gleichzeitig Standort einer Firma mit modernster Roboter-Technologie. Die Filigran Bauelemente AG hat sich fit gemacht für die Digitalisierung mit vernetzten Prozessen und im Baubereich unter der Bezeichnung Modetlit die Industrie 4.0 eingeführt. Die Berichterstatterin wird in die Werkhalle geführt, wo in einem eigenen Raum der Roboter gerade eine Positivform für die Fertigung eines Schachtes herstellt. Es hätte auch die Form einer alten Säule sein können oder einer komplizierten Treppe. Die Form dient im anschliessenden Verfahren als Vorlage für die automatisierte Schalungsherstellung. Mit grosser Präzision fräst der Roboter aus einem Styropor-Block, der sich auf einem externen Drehtisch befindet, die Form des Schachtes heraus. Der Roboter könnte auch andere Materialien wie Holz oder Kunststoff bearbeiten. Dabei trägt er scheinbar wahllos Formen ab, die nicht erahnen lassen, wie das Produkt schlussendlich aussehen wird. Die angestrebte Form schält sich sozusagen erst gegen Ende des Prozesses heraus. Der Grund dafür liegt in der Effizienz der Bearbeitung. Diese wurde von einer Software berechnet, die Maschine hat selbstständig entschieden, den Vorgaben zu folgen. Kurz vor Ende der Bearbeitung zeigt die Maschine, dass sie einen Werkzeugwechsel wünscht. Auch dies entscheidet sie aufgrund der ihr zur Verfügung stehenden Parameter selbstständig. Während der Bearbeitung justiert sich der Roboter hin und wieder automatisch neu, als Kontrolle, dass die millimetergenaue Präzision, die eine ausgeklügelte Sensortechnologie ermöglicht, eingehalten wird. Das Programmieren, erläutert Hirschi, sei nicht kompliziert. Man müsse in ein 3D-Zeichnungsprogramm einige Daten eingeben, den Rest mache der Roboter selber. Der grosse Vorteil: Für die Produktion können direkt die Daten der Planenden verwendet werden. Auch das steigert die Effizienz.


Grosse Präzision
Ein weiterer Vorteil der Roboterfertigung von Modellit ist die grosse Genauigkeit. Hirschi kann auf der Baustelle den Ist-Zustand millimetergenau mit einem Lasergerät ausmessen und sein Betonelement entsprechend ganz exakt den Gegebenheiten anpassen. Die Roboterfertigung ist auch sehr flexibel in Sachen Formgebung. «Ich bin diplomierter Baumeister», sagt Hirschi, «verfüge über eine langjährige Berufserfahrung und führe viele Gespräche mitArchitekten und Ingenieuren. Dabei habe ich festgestellt, dass deren Vorstellungen immer komplexer werden, dass zum Beispiel runde und organische Strukturen an Beliebtheit zunehmen. Das sieht gut aus - das Problem ist jedoch die Frage, wie man die Schalung herstellen soll. In meinem Betrieb beschäftige ich hervorragende Schalungsbauer, aber gewisse Elemente lassen sich händisch beinahe nicht realisieren. Zudem wird es schnell einmal recht teuer, wenn viele Stunden an einer aufwendigen Schalung gearbeitet werden muss.» Hirschi begann, nach Alternativen zu suchen. «Die Vorgaben waren klar. Wir produzieren sehr viele Einzelelemente. Bei der Automatisation stand also im Vordergrund, dass diese Produktion schnell und effektiv erfolgen soll. Langwierige Programmierungs- und Einrichtungsmassnahmen sollte es nicht geben.» Die Idee, einen Roboter anzuschaffen, hatte Hirschi schon bald, «aber alle Roboter, die ich anschaute, konnten nur eine Sache. Das hätte uns nicht geholfen.» Schliesslich stiess I-Iirschi auf die Sechs-Achs-Roboter von Kuka. Es gibt weltweit zwei Beispiele, dass diese Roboter Schalungen herstellen. Verwendet werden sie von einem Betrieb in Deutschland und einem in den USA. Die Filigran Bauelemente AG ist damit erst der dritte Betrieb weltweit, der bei der Produktion auf die revolutionäre Technologie setzt. Dabei wurde für Filigran ein eigenes Anwendungskonzept, das den Kundenbedürfnissen des Betriebes Rechnung trägt, entwickelt. «Eswarfür uns eine sehr höhe Investition», räumt Hirsch  ein, «aber ich bin zuversichtlich, dass sie sich auszahlen wird.»


Fachleute fehlen
Im letzten Frühling kam der Roboter in Oberdiessbach an - nicht als Ersatz für Mitarbeitende, nota bene. «Wir hatten immer stärker Mühe, gute Schalungsfathleute zu finden. In der Betonvorfabrikation gibt es beim Fachpersonal eine Überalterung, durch die Pensionierungen ist viel Know-how verloren gegangen.Der Roboter schafft hier Abhilfe», erläutert Hirschi, «wobei es in einem ersten Moment natürlich so ist, dass ein Pionier wie ich, der die Automatisation und die Digitalisierung in der Formenfertigung eingeführt hat, in Felder vorgedrungen ist, indenen es noch keine Fachleute gibt.» Sein Sohn, der gelernter Maurer ist, hat sich in die Bedienung des Roboters eingearbeitet. «Vorgesehen ist, dass ein junger Mann, der nach der Matura bei uns gearbeitet hat und der jetzt Bauingenieur studiert, bei uns als technischer Fachmann auch für die Roboterfertigung aufgebaut wird», ergänzt er. Hirschi denkt, dass die Baubranche angesichts der Digitalisierung ihre Bildungsmöglichkeiten wird anpassen müssen. «Natürlich gibt es ausgezeichnete CNCFachleute, aber die wissen nichts über Beton. Baufachleute hingegen können nicht programmieren. Wegen der Digitalisierung werden im Bausektor neue Berufe entstehen.»
Hirschi hat schon einige Erfolge mit dem neuen Roboter erzielt. Zum Beispiel erhielt er einen Auftrag für eine repräsentative Spindeltreppe in einem Gewerbebetrieb. Bei ihr wird jeder einzelne Treppenabschnitt verschieden sein. Hätte man die Schalung von Hand gemacht, wäre es sehr kompliziert geworden. Der Roboter erstellte die Schalung ohne einen grossen Aufwand aus einem einzigen Block. Für eine Strassenbaustelle sollte Hirschi einen Schacht mit einer komplexen konkaven Form erstellen. Er vermass vor Ort millimetergenau, und liess die 3D-Daten des Bauingenieurs eingeben. «So konnten wir in einem halben Tag das Gerinne fräsen», freut sich Hirschi.


Ab Fotografie
Die Digitalisierung in der Schweizer Betonelementvorfertigung leitet ein Sechs-Achs-Industrieroboter des führenden deutschen Herstellers Kuka ein. Betriebsintern lautet seine Bezeichnung «Specht», was veranschaulicht, wie der Roboter arbeitet. Eine lange Fräse, an deren Spitze ein Werkzeug angebracht ist, bearbeitet die Positivformen, die aus ganz unterschiedlichen Materialien bestehen können. «Im Prinzip ist das Verfahren mit dem 3D-Drucker vergleichbar, einfach in umgekehrter Weise, weil wir nicht hinzufügen, sondern abtragen», meint Hirschi. Im Moment arbeitet Filigran daran, dass aus digitalen Fotografien Konstruktionsdaten für den Roboter hergestellt werden können. So könnte etwa ein Bauunternehmer auf seiner Baustelle einen Schacht fotografieren, das Bild der Filigran zustellen unddiese könnte sofort mit der Reproduktion beginnen. Das tönt noch utopisch, wird aber bald schon Realität werden, denn Apps, die Konstruktionspläne anhand von Fotos herstellen, existieren bereits. Hirschi denkt, dass gerade in der Restauration ein grosser Bedarf an solchen Lösungen besteht. «Ich habe Erfahrung mit der Sanierung von denkmalgeschützten Objekten. Da gibt es zum Beispiel Säulen mit aufwendigen Verzierungen, die durch ein Duplikat ersetzt werden müssen. Könnte man diese einfach abfotografieren, um gleichentags mit der Reproduktion zu beginnen, wäre das eine riesige Zeit- und Kostenersparnis.»
Im Rahmen seiner Recherche, wie man die betriebseigenen Prozesse verbessern könnte, hat Hirschi einige hochautomatisierte Betriebe anderer Branchen besucht. Er hat so gesehen, dass die Digitalisierung Losgrösse 1 wirtschaftlich macht. Natürlich ist er sich bewusst, dass es schwer ist, Roboter in einer Umgebung mit den vielen Verschmutzungen, wie es sie in der Baubranche auf Baustellen nun mal gibt, einzusetzen. "Aber für die Produktion von Positivformen für eine effiziente Herstellung von Schalungen im Betonelementbau rechnen sich die Vorteile, trotz den hohen Investitionskosten. Natürlich braucht es Mut, denn man weiss, dass die Implementierung einer neuen Technologie nie ohne Rückschläge verläuft. Aber wir sehen in die Zukunft und wollen die Chancen der Digitalisierung aktiv nutzen."

So kommt es, dass es ein kleiner Betrieb aus dem Emmental ist, der bei der Betonelemente-Vorfertigung die Tür zum neuen technologischen Zeitalter aufgestossen hat.

 

 

 

 

 

 

Im Fokus


« zurück

UBBO Unternehmensberatung

 

Über mich

Standort

Kontakt

 

 

Meine Tätigkeiten

 

Beratung

VR-Tätigkeit

Ausbildung

ERFA-Moderation

 

Im Fokus

 

 

Kontakt

 

UBBO Unternehmensberatung Bornhauser
Ebnetstrasse 7
6043 Adligenswil LU

Tel.  

041 371 22 33

Fax  

041 371 22 35